Börsen- und Tradingpsychologie

Börse ist Psychologie. Kaum jemand würde das bestreiten. Doch was bedeutet das? Mal geht es um die Masse, ein anderes Mal um Emotionen.

Dieser Überblick zeigt mein Verständnis des Themas Börse & Psychologie. Es gibt zwei große Themenbereiche, die das Thema beinhaltet. Zum einen der Blick auf den Finanzmarkt als Ganzes (Börsenpsychologie). Zum anderen die individuele Sicht auf Anleger, Investoren oder Trader (Tradingpsychologie).

Tradingpsychologie

Der Blick auf den Markt (Börsenpsychologie)

Herdenverhalten

Mit Herdenverhalten hat man eine schöne Metapher gefunden, Trends an Finanzmärkten zu beschreiben. Herdenverhalten ist die instinktive Neigung, anderen zu folgen. Ähnlich wie beim Tanzen oder militärischen Übungen orientieren sich Marktteilnehmer aneinander und bewegen den Markt in eine Richtung.

Leider hat der Begriff eine leicht negative Bedeutung. Mit dem Begriff Herde wird häufig verbunden, dass Menschen anderen Menschen blind folgen und am Ende alle in ihr Verderben laufen. Daher wird in letzter Zeit auch gerne den Begriff Schwarmintelligenz verwendet. Damit steht das smarte Verhalten, einem Trend zu folgen im Vordergrund.

Herdenverhalten wird manchmal mit Extremsituation an der Börse gleichgesetzt. Dies ist jedoch in meinen Augen nicht ganz korrekt, denn Herdenverhalten muss nicht zwangsläufig zu einer Übertreibung führen. Viele Anleger können einer Idee oder einer Person folgen, ohne dass sie gleich völlig den Verstand ausschalten. The trend is your friend lautet die wohl bekannteste Regel für Anleger. Vorausgesetzt das Risiko wird bedacht, kann sich ein Anleger / Trader aus Vernunftgründen entschließen, einer Herde zu folgen.

Massenpsychologie

Wird die Börse psychologisch erklärt, fällt häufig der Begriff Massenpsychologie. Ich möchte betonen, dass aus meiner Sicht eine massenpsychologische Bewegung der Ausnahmefall ist. Sie beschreibt die Extremsituationenen Boom und Panik. Eine Masse im psychologischen Sinne aus Finanzmarktteilnehmern ist nicht immer der Fall. In der Regel gibt es am Finanzmarkt viele Marktteilnehmern mit unterschiedlichsten Meinungen. Bei einer massenpsychologischen Bewegung laufen fast alle Marktteilnehmer in die gleiche Richtung.

Massenpsychologie entsteht, wenn die überwiegende Mehrheit der gleichen Meinung ist. Erst wenn die meisten Erwartungen und Prognosen gleich verlauten und dann noch Euphorie oder Panik hinzukommt, macht es aus meiner Sicht Sinn von einer Massenbewegung zu sprechen.

Le Bon beschrieb schon 1895, dass sich Menschen in einer Masse anders verhalten als normalerweise. Es liegt in der Natur des Menschen, in der Masse seine Individualität aufzugeben und sich von anderen anstecken zu lassen. Der Mensch verliert seine ursprüngliche Orientierung und orientiert sich an dem, was andere tun.

Finanzmarktteilnehmer vereinfachen dann Beschreibungen und Erklärungen von Marktbewegungen stark. Die Vereinfachung findet ihren Ausdruck in Gefühlen, die sie wiederum leiten zu kaufen oder zu verkaufen.

Ein eigener Artikel zum Thema ist hier zu finden.

Sentimentindikatoren

Mit umfragebasierten Sentimentindikatoren wollen Experten die Stimmung an den Börsen erfassen. Erfragt werden allerdings häufig Erwartungen und nicht Stimmungen. Eine klassische Frage lautet: Wo sehen Sie den Markt in vier Wochen? Die Grundidee lautet: Ist die Mehrheit der Umfrageteilnehmer positiv gestimmt, so ist kaum jemand da, der noch kauft. An diesem Punkt sollte der Markt zu fallen beginnen. Leider ist die Interpretation der Umfrageergebnisse nicht immer so leicht zu vollziehen, wie es die Grundidee vermuten lässt.

Das Put-Call-Ratio von Aktien-Optionen, gehandelt an Terminbörsen wie der Chicago Board Options Exchange (CBOE) oder der European Exchange (EUREX), bildet die Stimmungslage von professionellen Tradern ab. Allerdings ist hier die zeitliche Vermischung von Erwartungen noch weit höher als dies schon bei normalen Aktienspekulationen der Fall ist.

Systemtheorie

Systemtheoretische Theorien sind aus meiner Sicht eine hochinteressante Sichtweise, Finanzmärkte aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten. Systemtheorie beschreibt Systeme. Und ein Aktienmarkt ist ein System. Folgt man der Theorie, so ist ein Finanzmarkt

  • nicht das Ergebnis vieler Faktoren, sondern er organisiert sich selbst.

  • Er ist nicht linear, sondern durch vielfältige Wechselbeziehungen und exponentielle Kursentwicklungen gekennzeichnet.

  • Er ist nicht widerspruchsfrei, sondern Widersprüche sind Teil des Finanzmarktes. Mal steigt, mal fällt der Markt bei nahezu gleichen Nachrichten.

Leider gibt es bislang nur wenig Berührungspunkte zwischen Finanzmarkt und Systemtheorie.

 

Die individuelle Sicht (Tradingpsychologie)

Heuristiken, Entscheidungsfehler und kognitive Verzerrungen

Wissenschaftler wie Kahneman und Tversky haben eine Vielzahl an gedanklichen Verzerrungen identifiziert, die eine wichtige Rolle für Finanzmarktakteure spielen. Dabei handelt es sich häufig um intuitive Wahrnehmungsmuster, Denkmuster und Urteilsmuster, die bei Menschen immer wieder zu beobachten sind. An den Finanzmärkten können sie viel Geld kosten.

Drei Beispiele möchte ich anführen

  1. Optimismus-Verzerrung: Zu hoher Optimismus verleitet dazu, Risiken aus den Augen zu verlieren und an Verlustpositionen zu lange festzuhalten.

  2. Referenzpunkte: Kauft ein Anleger zu einem bestimmten Kurs eine Aktie, so kann dieser Kurs zu einem wichtigen Referenzpunkt werden, nach dem man seine Entscheidungen zum Verkauf richtet. Der Markt interessiert sich jedoch nicht für irgendeinen Einstiegspunkt einer einzelnen Person.

  3. Suche nach Ursachen: Unser spontanes Denken sucht automatisch nach Ursachen. Wir suchen gerne nach Gründen, warum der Markt nun gestiegen oder gefallen ist. Mit einer plausiblen, aber falschen Erklärung ist unser Gehirn manchmal eher zufrieden als mit keiner Erklärung. Die Folge: eine falsche Einschätzung der Situation am Aktienmarkt.

Persönlichkeit

Passt Ihre Persönlichkeit zu dem was Sie an der Börse tun sollten? Angenommen eine Person zeichnet sich im Alltag durch folgende Merkmale aus.

  • Er handelt häufig impulsiv

  • Ist immer wieder auf der Suche nach neuen Erlebnissen

  • Hat wenig Interesse an daran, neue Dinge auszuprobieren

  • Er hält Selbstdisziplin für etwas, was seine Lebensfreude einschränkt

Ein Mensch mit dieser Persönlichkeitsstruktur wird es an der Börse schwer haben. An Finanzmärkten sind überlegte Handlungen ebenso wichtig wie eine permanente Anpassung an neue Marktgegebenheiten. Auch Disziplin ist wichtig. Selbstdisziplin, verstanden als Selbstkontrolle, ist die Verengung des Bewusstseins auf ein bestimmtes Ziel. Wer sich von Analystenmeinungen, politischen Börsen und Medienberichten ablenken lässt, wird schnell zum Spielball des Marktes.

Psychologische Faktoren spielen beim Trading - auch bei der Wertpapieranlage - eine große Rolle. Psychologische Kenntnisse sind entscheidend für das Gelingen von Geldanlage und Trading.

Zusammenfassung

Börsen- und Tradingpsychologie hat viele Facetten. Wichtig ist zunächst die Unterscheidung zwischen den Bewegungen des Finanzmarktes und Individuen, die an der Börse agieren. Will man ‚die Börse‘ psychologisch verstehen, muss man beide Aspekte betrachten, denn handeln am Finanzmarkt ist der Schnittpunkt zwischen Finanzmarkt und Mensch.

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