Ist ein Trader-Coaching wirklich ein Coaching?

Es gibt eine Vielzahl von erfahrenen Tradern, die ein Coaching anbieten. Doch ist das eigentlich ein Coaching? Ich habe mir das Angebot verschiedener Tradingcoaches angesehen und möchte meine Sicht zum Thema Coaching vorstellen.

In den meisten 'Coachings' geht es darum, das Traden zu erlernen. Manche Coaches bieten eine 'Trader-Ausbildung' an. Alle geben an, eine Menge Erfahrung zu besitzen. Sie sind Experten auf Ihrem Gebiet. So kann man in 'Einzelcoachings' beispielsweise lernen, was einen Trend ausmacht, welches die Geheimnisse der Markttechnik sind oder wie man sein Risiko- und Money Management gestaltet.

Aber ist das wirklich Coaching oder etwas anderes? Ein Blick bei Wikipedia unter dem Stichwort Beratung zeigt die folgende Beschreibung.

Ist eine Beratung […] so gestaltet, dass Einzelpersonen […] durch den Berater begleitet werden, um ihre Antworten selbst zu finden, Ver-
änderungen selbst zu gestalten oder Entscheidungen […] zu treffen, 
spricht man auch von einem Coaching (z. B. Systemisches Coaching, 
Mentalcoaching, Einzelcoaching, Personal Coaching).

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Wenn ich also einen sogenannten 'Tradingcoach' in Anspruch nehme und er mir Wissen und Erfahrungen aus seinem Trading vermittelt, ist dies definitionsgemäß kein Coaching.

Edgar H. Schein ist Professor am MIT in Cambridge. Schon 1996 beschrieb er, wie man Formen der Beratung unterteilen kann. Seine Definition ist heute noch maßgeblich, wenn es darum geht, zu erklären, was ein Coaching ist. Der Oberbegriff ist die Beratung. Er unterscheidet verschiedene Beratungsformen, u. a. die Expertenberatung und die Prozessberatung.

Coaching für Trader

Expertenberatung

 ‚Was muss ich tun, um erfolgreich traden zu können?' Diese Frage drückt aus, dass einem Menschen Wissen, Kompetenz und Erfahrung für ein spezielles Problem fehlen. Daher wendet er sich an einen erfahrenen Experten, der ihn berät. Der Berater stellt Wissen und seine Kompetenzen zur Verfügung. Der Fokus liegt auf Wissenszuwachs, der Analyse oder rein praktische Fragen zum Umgang mit Software.

Beispielsweise erklärt der Trading-Experte, wie man Indikatoren liest, wie Handelssysteme entwickelt werden, wie profitable Stopp-Techniken umgesetzt werden sollten oder wie Positionsgrößen berechnet werden. Für Anfänger ist die Frage wichtig, welche Tradingsoftware die Beste ist.

Die Verantwortung für das richtige Fachwissen und auch für die Lösung liegt beim Berater. Berater und Klient beschäftigen sich meist mit rein fachlichen Fragen und deren theoretische Umsetzung.

Coaching

Coaching ist eine Form der 'Prozessberatung'. Im Fokus stehen Fragen, wie ich vorhandenes Wissen umsetzen kann. Unter Coaching versteht man eine 'Beratung ohne Ratschlag' (vgl. Sonja Radatz, 2009). Fragen des Coachs sollen das Verständnis des Klienten und seine Selbstreflexion steigern. Das ist wichtig, wenn es dem Klienten wichtig ist, selbst eine Lösung für ein Problem zu finden.

Gemeinsam wird zusammengetragen, was der Klient in sich trägt. Ein Ziel ist es, neue Handlungsmöglichkeiten zu finden. Im Coaching liegt die Verantwortung beim Klienten. Der Coach gestaltet die Struktur und den Rahmen. Der Fokus liegt bei Verhaltensmustern und Emotionen, beispielsweise der Umgang mit Unsicherheit.

Ein Coach versucht mit dem Klienten herauszufinden, wie es beispielsweise gelingen könnte, Stoppkurse konsequent einzuhalten oder eine Kaufidee ohne zögern umzusetzen (sofern das die Absicht des Klienten ist).

Der Berater liefert in einer Prozessberatung keine direkten Lösungsvorschläge. Er begleitet den Klienten in einem Prozess und regt ihn an, eigene Lösungen zu entwickeln. Für den Coach ist es wichtig, die Analyse- und Handlungskompetenz seines Klienten zu stärken. Beim Coaching ist der Klient der Experte für sein Anliegen und Lösungsideen.

Coach und Klient

Zusammenfassung

Auch wenn viele Trading-Coaches sich Coach nennen, sind es überwiegend Experten, die ihr Wissen weitergeben. Der Begriff hat sich in der Tradingszene eingeschliffen. Das bedeutet aber nicht, dass er richtig ist. Selbst das Traders-Magazin ist 'Ihr persönlicher Trading-Coach', was schlecht sein kann, da ein Coaching immer im Kontakt zwischen zwei Personen gestaltet wird.

Im Coaching werden Lösungen idealerweise durch den Klienten selbst gefunden. Natürlich können auch beide Beratungsformen ineinander übergehen.

 

--— Quellen: ------

  • Schein, Bruckmaier: Prozessberatung für die Organisation der Zukunft, 2010

 

 

 

 

 

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